Der Frühlingspaziergang

Aus welcher Richtung ich gefahren kam, weiß ich nicht mehr. Gar nicht wichtig. Auf jeden Fall war es einer der ersten schönen warmen Tage des Frühlings 2016.

Die Geschichte zum Hören:

Oder zum selber Lesen:

Das ist viel zu schade für die Autobahn, dachte ich. Jemand hat mir mal gesagt: »Autobahn fahren nur die, die es nicht besser wissen.« Ich entschied mich, den normalen Weg zu verlassen und die Landstraße zu fahren, über Salzdahlum bei Wolfenbüttel. Wohin ich wollte, weiß ich nicht mehr. Gar nicht wichtig. Braunschweig oder nach Hause nach Wolfenbüttel. Ich fuhr mit etwa 80 km/h, das Schiebedach war weit geöffnet, blauer Himmel über mir und die frische Wärme wehte mir um den Kopf. Es ging auf leichten Kurven durch ein Waldstück. Die ersten zarten maigrünen Ansätze der Blätter waren an den Bäumen deutlich zu sehen. Hinter dem Waldstück, oben auf der Kuppe hatte ich eine recht weite Sicht über die Felder. All diese Eindrücke nahm ich so intensiv in mich auf, wie es das Autofahren zuließ. Der Frühling ist meine liebste Jahreszeit und für mich jedes Jahr aufs Neue überwältigend. Ein ganz normaler Tag irgendwie und doch so besonders. Und wie ich so durch den Frühling glitt sah ich eine Dame, die in einer grünen Jacke über einen Feldweg spazierte.

Es war nur ein kurzer Moment. Wie lange sieht man ein Bild im Vorbeifahren mit dieser Geschwindigkeit? Doch es setzte sich in mein Gedächtnis fest, als etwas, das ich unbedingt malen musste. Wohl auch bedingt durch die intensiven Eindrücke. Auf diesem gespeicherten Bild ging die Dame an einigen Bäumen mit Blättern der zarten Frühlingsfarben vorbei. Im Hintergrund einige der Salzdahlumer Häuser. Lange nachdem das Bild fertig war, fragte ich mich, ob ich das, was ich da gemalt hatte, wirklich so aussieht, wenn man dort lang fährt. Aus Neugier fuhr ich bei nächster Gelegenheit wieder diese Strecke. Etwas überrascht stellte ich fest, die gemalte Ansicht gibt es so nicht. Ich hatte wohl einen Teil der gesammelten schönen Eindrücke in meinem Inneren zu dem Bild zusammengesetzt.

Für mich ist das Bild »Der Frühlingsspaziergang« auch zu einem Synonym dafür geworden, das Offenheit für Anderes, Neues bringen und auch inspirierend sein kann. Nicht nur in der Malerei. Geh mal einen anderen Weg, als den Gewohnten und du wirst die bekannten Dinge aus anderer Perspektive sehen, andere, vielleicht überraschende, Dinge entdecken, andere Menschen treffen oder neue Erkenntnisse gewinnen. Ich mache so etwas oft, intuitiv und spontan. Ja, das dauert im Normalfall etwas länger, als den üblichen Weg zu nehmen. Die Minuten, die ich dadurch länger unterwegs bin, genieße ich wegen der vorher genannten Aspekte meistens sehr. So, wie an jenem Frühlingstagtag, als der frischwarme Wind durch das Schiebedach um meinen Kopf wehte.

Zur maltechnischen Seite: Das Bild wollte ich zum Teil im Stil von August Macke malen und auch zu großen Teilen fauvistisch (reine Farbe, ohne sie durch eine Komplementärfarbe zu brechen). Irgendwie sind lediglich die Häuser im Macke’schen Stil geblieben, allem anderen habe ich dann doch irgendwie meine eigene Handschrift, also Pinselduktus, aufgedrückt. Für das Bild habe ich übrigens keine grüne Farbe verwendet, die Grüntöne sind alle aus Blau und Gelb gemischt. Für die Bemalung des Randes wusste ich recht schnell, dass dafür nur eine frische frühlinghafte Farbe infrage kommt. So ist es ein leuchtendes Gelb geworden.